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Ich wollte noch einmal die Sonne sehen ... Erna de Vries in Emsbüren

Erna de Vries, Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz, in Emsbüren

Am 25. März 2018 war Frau Erna de Vries aus Lathen in der Emsbürener Kirche und berichtete aus ihrem Leben. Der Vater von Erna de Vries war Christ, die Mutter war Jüdin. Mehr als 700 Zuhörerinnen und Zuhörer waren in der bis in alle Ecken vollbesetzten St. Andreas Kirche gekommen, viele mussten stehen, weil es keine Plätze mehr gab. Die Kolpingfamilie Emsbüren hatte gemeinsam mit dem Gebietsverband der Kolpingfamilie zu dieser Begegnung mit Erna de Vries eingeladen. Pastor Schwegmann begrüßte Frau de Vries und zeigte sich besonders erfreut, dass unter den Zuhörerinnen und Zuhörern so viele junge Menschen waren, die Frau Erna de Vries und damit auch einen Teil der deutschen Geschichte kennen lernen wollten. Und obwohl so viele Menschen gekommen waren, war es in der Kirche ganz still. Die Menschen hörten zu, was Frau de Vries aus ihrem Leben, besonders aus den Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft, berichtete.

Sie berichtet von ihrer Kindheit in Kaiserslautern. Wie das Leben für die jüdischen Mitbürger immer schwieriger wurde. Sie erzählte von der Reichsprogromnacht, als die SA aber auch viele andere Menschen die Synagoge in Brand steckten und dann auch zum Haus von Erna de Vries kamen, in die Wohnung gingen, alles zerschlugen und zerstörten und dann die Wohnung mit Wasser fluteten, um sie unbewohnbar zu machen. Sie berichtete vom Hass einiger ihrer Nachbarn gegen alle Juden aber auch von der Hilfe von anderen Nachbarn, die ihnen halfen, obwohl das auch für sie hätte gefährlich werden können.

Erna de Vries berichtete davon, wie sie und ihre Mutter in das Vernichtungslager nach Auschwitz deportiert wurden. Sie erzählte davon, wie die Menschen dort behandelt wurden: nicht wie Menschen, sondern brutal und erbarmungslos. Man versuchte ihnen zuerst die Würde zu nehmen und dann das Leben. Viele starben an den Krankheiten, die es im Lager gab, andere an Hunger, andere vor Erschöpfung. Die all das überlebten, mussten „ins Gas“. Sie wurden vergast, danach wurden ihre toten Körper im Krematorium verbrannt. Erna de Vries berichtet auch von dem Moment, kurz bevor sie vergast werden sollte. „Ich wollte noch einmal die Sonne sehen.“ Und in dem Moment kam die Sonne tatsächlich hinter den Wolken hervor. Wie durch ein Wunder überlebte sie. Sie wurde verlegt in das Konzentrationslager nach Ravensbrück. Dort überlebte sie, weil die amerikanischen und russischen Truppen immer weiter vorrückten und das KZ Ravensbrück befreiten.

Ihre Mutter wurde in Ausschwitz vergast. Bei ihrer letzten Begegnung in Auschwitz sagte die Mutter zu ihrer Tochter Erna: „Du wirst überleben. Du wirst erzählen, was man mit uns gemacht hat.“

Weitere Informationen:

Sie finden auf dieser Seite Zitate unseres ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker, aus seiner historischen Rede am 8. Mai 1985, 40 Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs in Europa. In dieser Rede setzt er sich auch mit der Frage auseinander, ob man unter die Zeit des Nationalsozialismus einen Schlussstrich ziehen darf:

„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“
(Jüdische Weisheit)

Aus einer Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker:

In Teilen unserer Bevölkerung wird die Frage diskutiert, ob wir unter die Zeit des Nationalsozialismus mit dem Krieg, der Vernichtung der Juden und mit mehr als 50 Millionen Toten nicht endlich einen Schlussstrich ziehen sollten. Politiker der AfD gehen weiter. Sie fordern eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“. Also: Sie sind der Meinung, dass in der Nazi-Zeit alles gar nicht so schlecht war, sondern das Hitler auch viel Gutes getan hat.

In seiner für unser Land und Volk so wichtigen Rede am 8. Mai 1985 – 40 Jahre nach Kriegsende – hat sich unser ehemalige Bundespräsident Richard von Weizäcker mit all diesen Fragen auseinandergesetzt.

Im Folgenden finden Sie einige Zitate aus dieser Rede:

„Die Bitte an die jungen Menschen lautet: Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen Russen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß. Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.“

„Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.“

„Der ganz überwiegende Teil unserer heutigen Bevölkerung war zur damaligen Zeit entweder im Kindesalter oder noch gar nicht geboren. Sie können nicht eine eigene Schuld bekennen für Taten, die sie gar nicht begangen haben…. Aber die Vorfahren haben ihnen eine schwere Erbschaft hinterlassen.“

„Gerade deshalb müssen wir verstehen, dass es Versöhnung ohne Erinnerung gar nicht geben kann.“

„Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten.“

Hinweisen möchten wir auch auf einen Film von dem Projekt „zeitlupeev“ über das Leben von Erna de Vries, den sie auf „You Tube“ finden.

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